Ab in die Erdbeeren!
Zwei gar nicht süße Rezepte mit den flüchtigen Früchtchen.

kann man die Früchte zu Krümeln oder Pulver mörsern.
Fragum oder auch fregum nannten die antiken Titanen Ovid und Vergil die Erdbeere, was sich vom Verb fragare (duften) ableitet. Abgesehen davon verbinde ich den davon abgeleiteten wissenschaftlichen Namen Fragaria auch mit dem Wort fragil. So intensiv der Duft auch sein mag, er ist flüchtig. Sehr flüchtig.
Fabelhafte, aber fragile Aromatik
Bewahren Sie Erdbeeren doch einmal zwei bis drei Tage auf; was bleibt ist ein von gelben Pünktchen übersätes rotes Herz, nahezu geruchlos, wässrig im Geschmack, letztendlich fad. Besonders aromatische Sorten wie die fabelhafte Mieze Schindler vergehen in dieser Zeit sogar ganz, sie schrumpeln, faulen, zerfallen zu Matsch wie Edgar Allen Poes Waldemar.
Ich hatte auch einmal eine Flasche feinsten Erdbeerbrand in meiner kleinen Hausbar, kostete ihn gleich nach dem Kauf und war entzückt. Ein knappes Jahr später befand sich in der Flasche geruchsneutraler Alkohol, allenfalls gut, um eine Glasfläche streifenfrei zu putzen.
Wenn Franzosen in die Erdbeeren gehen, kommen sie einander ziemlich nahe. Allez aux fraises steht bei ihnen für das Schäferstündchen.
Also, frisch auf den Tisch, dann wird klar, warum die Frucht symbolisch für Sinnlichkeit bis hin zur Erotik steht. Es sind wieder einmal die Franzosen, die der Erdbeere mit einer wunderbaren Metapher huldigen. Wenn wir hier „in die Erdbeeren gehen“, dann ist damit gemeint, dass wir mit dem Holzsteigerl bewaffnet durch ein Erdbeerland latschen, den Buckel krumm, den Mund voll; essen Sie, soviel Sie wollen! Wenn es allerdings zwei in Frankreich dorthin zieht, dann bedeutet das, dass sie einander ziemlich nahe kommen. Aller aux fraises: Liebe machen, ein Schäferstündchen verbringen.
Die frivole Erdbeere geht mit vielen mit
Ich bin im Prinzip kein großer Freund von Obst in pikanten Gerichten. Beeren aller Art, Trauben, Pfirsichspalten, Ribisel und Kirschen usurpieren Teller, auf denen sie absolut nichts verloren haben; sie sind Fremdkörper und tragen einen feuchten Kehricht zur geschmacklichen Harmonie bei.
Es geht aber auch stimmig, die Erdbeere ist diesbezüglich sogar recht dankbar, frivol geradezu; sie geht mit vielen Zutaten einfach mit: Ziegen- und Schafkäse, Basilikum, Estragon, Pfeffer, Balsamico, Spargel, auch Salaten. Ich empfehle diesen kleinen Trick: in eine Marinade für Vogerlsalat einen Löffel pürierte und durch ein feines Sieb entkernte Walderdbeeren einrühren.
Pulver, Chips und sündteures Öl
Und jetzt zu den Rezepten: Estragon und Pecorino Romano unterstützen ein tatsächlich carpacciofarbenes Carpaccio aus frischen Beeren (die in Wahrheit Scheinfrüchte eines Rosengewächses sind).
Erdbeeraroma kann man aber auch verdichten und konservieren, indem man aus den winzigen Samen sündteures Erdbeerkernöl presst oder sie behutsam trocknet und daraus Chips oder Pulver macht. Dann zeigen sie sich von einer völlig anderen Seite, gar nicht mehr obstig und süß, sondern intensiv auf die stechend frischen Duftmerkmale der Frucht konzentriert; plötzlich schreien sie förmlich nach Fisch, auch rohem.
REZEPT
Roh marinierter Wolfsbarsch
mit Erdbeerpulver

ZUTATEN FÜR 4 PERSONEN
- 250 g große reife Erdbeeren
- ½ TL geriebene Limettenschale
- 400 g Wolfsbarschfilet ohne Haut
- 4 EL Erdbeerkernöl
- 1 EL Zitronensaft
- 1 Prise Salz (Maldon)
- grob gemörserter schwarzer Pfeffer
- 1 TL grüner eingelegter Pfeffer
- 1 TL rosa Pfefferbeeren
ZUBEREITUNG
- Die Erdbeeren in 2 mm dicke Scheiben schneiden, auf ein mit Backpapier belegtes Blech legen und vorsichtig trockentupfen. Dann etwas Limettenschale darüber reiben. Das Blech für 12 Stunden ins 40 bis maximal 45 Grad warme Backrohr stellen und die Tür mit einem Kochlöffel einen kleinen Spalt offenhalten. Die Scheiben umdrehen und weitere 6 bis 8 Stunden auf diese Weise trocknen. Sie sollen beim Biegen brechen und nicht mehr ledrig sein.
- Einen kleinenTeil der Scheiben als Chips zur Seite legen, den Rest mit einem Messer kleinhacken und im Mörser zu Pulver stoßen.
- Wolfsbarschfilet schräg in dünne Scheiben schneiden und portionsweise auf Teller schlichten.
- Erdbeerkernöl, Zitronensaft, Salz und groben schwarzen Pfeffer mit dem Schneebesen zu einer Emulsion aufschlagen und über den Fisch träufeln. Die Teller ca. 30 Minuten kaltstellen.
- Dann mit Erdbeerpulver bestreuen und mit Erdbeer-Chips, grünem eingelegten Pfeffer und rosa Beeren garnieren.

Erdbeer-Carpaccio
mit Estragonpesto und Pecorino
ZUTATEN FÜR 4 PERSONEN
- 2 EL Mandelstifte
- 1 EL geriebener Pecorino
- 2 EL fein gehackter Estragon
- ½ TL schwarze Pfefferkörner
- 2 bis 3 EL Erdbeerkernöl
- 250 g vollreife Erdbeeren
- geriebener Pecorino zum Bestreuen
ZUBEREITUNG
- In einer Pfanne ohne Fett die Mandelstifte hellbraun rösten und etwas auskühlen lassen.
- 1 EL davon fein hacken und mit Pecorino, Estragon und Pfeffer in einem Mörser unter Zugabe von Erdbeerkernöl zu einer cremigen Paste (einer Art Pesto) zerstoßen.
- Die Erdbeeren in dünne Scheiben schneiden und auf Teller schlichten.
- Mit Estragonpesto überziehen und mit den restlichen Mandelstiften und noch etwas geriebenem Pecorino bestreuen.