
Haute Couture von der Stange
Senfgurken gehören zum Besten, das man aus dem Gemüse
der Familie Kürbis machen kann.
Die Gurke gebe ich mir nur allzu gerne, diese unterschätzte, stets auf die gleiche Art und eher einfallslos als knofeliger Rahmsalat zubereitete Gemüsekeule, deren wahre Vielfalt und Aromatik uns noch fremder geblieben ist als die der Paradeiser. Bei mir tritt sie oft als smashed cucumber auf -mit der flachen Messerklinge zerquetscht, was in Asien, vor allem in China, schon ewig state of the art ist.
Glücklich ist, wer sie selbst im Garten angebaut hat und nicht auf die wässrigen, kerzengeraden Stangen angewiesen ist, die den Regulatoren der EU schon vor vielen Jahren den Ruf eingetragen haben, bloß Nebensächlichkeiten geradezubiegen anstatt sich um Wichtigeres zu kümmern.
Du siehst ein fingerlanges grünes Würstel an der Pflanze hängen,
drehst dich einmal um, und wenn du wieder hinschaust,
hängt da ein armlanger, kiloschwerer Prügel,
der geerntet und verarbeitet werden will.
Gurken bedeuten aber auch ein bisschen Arbeit, denn sie scheren sich einen Kehricht darum, wann man gerade Zeit und Lust hat, sich ihnen zu widmen. Du siehst ein fingerlanges grünes Würstel an der Pflanze hängen, drehst dich einmal um, und wenn du wieder hinschaust, hängt da ein armlanger, kiloschwerer Prügel, der geerntet und verarbeitet werden will. Noch monströser gebärden sich nur noch Zucchini; man könnte für Gurken und Zucchini glatt die botanische Gattung der Godzilla-Gemüse erfinden.
Accessoir der Wiener Küche
Gurken für das komplette Jahr, also bis zur nächsten Ernte, konserviere ich am liebsten als Senfgurken; der süßsaure Geschmack überzeugt mich mehr als der von milchsauer vergorenen Essig- oder Salzgurken. Senfgurken sind zudem ein heute viel zu selten verwendetes Aroma-Accessoire der österreichischen, und besionders der Wiener Küche. Sie geben Gulasch und Rostbraten den letzten Kick, harmonieren perfekt mit der Dreifaltigkeit in Wiener Saucen, nämlich Senf, Kapern und Zitronenschale, und erfrischen eine deftige Jausenplatte mit Verhacktem, kaltem Schweinsbraten, Kren und gutem Sauerteigbrot.
Eine nicht unbedeutende Nebenrolle spielen sie bei mir gebacken, zum Beispiel zum Aperitif oder als kleine Vorspeise: die Gurkenstücke klassisch panieren, in die Brösel allerdings einen oder zwei Löffel gehackten Estragon mischen, und als knusprige Stangerln mit Knoblauchmayonnaise servieren. Das ist ziemlich gut.
Alte Sorten aus dem Osten
Wer keinen Garten hat, besorgt sich gute Gurken am besten auf Bauernmärkten oder im benachbarten östlichen und südlichen Ausland. In den Visegrád-Staaten Tschechien, Slowakei und Ungarn bzw. in Slowenien gibt es in den grenznahen Supermärkten viel bessere Gurken als bei uns: warzige und stachelige, glatte, grüne, gelbe, mit großem oder kaum existentem Kerngehäuse. Kein Wunder, okurky (tschechisch), uhorky (slowakisch), uborka (ungarisch) und kumare (slowenisch) haben dort – wie auch am Balkan – eine viel längere Tradition; denken wir nur an die Znajmer Gurken, deren Hintergrundstrahlung auch das Grenzstädtchen Retz zum Gurken-Hotspot machte.
Und wo bitte besorgte der legendäre, längst im Ruhestand befindliche „Gurken-Leo“ vom Wiener Naschmarkt das Material für seine Salzgurken? In Mazedonien, sagte er, weil die dort unten noch die alten Sorten anbauen. Was deren Vielfalt betrifft, empfehle ich übrigens einen Blick ins Sortenhandbuch des Vereins „Arche Noah“ (sortenhandbuch.arche-noah.at). Dort sind einige vor dem Verschwinden bewahrte Sortren extra als senfgurkentauglich eingeordnet. Am besten eignen sich fleischige, schon sehr reife und bereits leicht ins Gelbe changierende Sorten mit nicht allzu großen Kerngehäuse.

REZEPT
Senfgurken
ZUTATEN FÜR 3 WECKGLÄSER Á CA. 500 ML
(die Gläser sollten mindesten 10 cm hoch sein)
- 3 bis 4 große reife Gurken
- 1 Liter Wasser
- 330 ml Apfelessig
- 120 g brauner Zucker pro Liter
- 1 bis 2 Lorbeerblätter pro Einlegeglas
- 5 EL Senfkörner
- 3 EL weiße Pfefferkörner
- 1 EL Koriandersamen
- 9 Euro-Münzen-dicke Scheiben Kren
- 6 Dillzweige
- 1 EL Honig
- 3 mittlere, in Scheiben geschnittene Schalotten
- optional 1 Packung Einsiedehilfe
ZUBEREITUNG
- Die Gurken schälen, entkernen, in fingerlange Viertel oder Stifte schneiden und in einem Sieb über einer Schüssel einsalzen. So bleiben sie ca. 2 Stunden stehen.
- In der Zwischenzeit Wasser und Apfelessig mit allen anderen Zutaten aufkochen und auskühlen lassen.
- Nach 2 Stunden schütte ich das ausgetretene Gurkenwasser aus der Schüssel dazu, blanchiere die Gurken 2 Minuten in Wasser und schlichte sie noch sehr heiß vertikal in die Weckgläser.
- Zum Schluss erhitze ich den Sud noch einmal und gieße ihn ebenfalls in die Gläser. Mit einem Löffel schöpfe ich etwas von den Gewürzen dazu.
- Dann werden die Gläser verschlossen und im Backrohr 1 Stunde bei 100 Grad sterilisiert.