
Mörsern bis zum Sieg
Das Originalrezept des ligurischen Basilikum-Klassikers:
Pasta mit Pesto alla Genovese, Fisolen und Kartoffeln.
Grün ist die Hoffnung. Nein, es geht nicht um den gleichnamigen großartigen Roman eines meiner literarischen Superhelden, Tom Coraghessan Boyle, aus dem Jahr 1984, in dem ein Alt-Hippie sich am Anbau von Marihuana abarbeitet. Grün steht in der Farbsymbolik für Hoffnung; und der alte Geheimrat und Farbenlehrer Johann Wolfgang von Goethe fand, dass im Grün unser Auge „eine reale Befriedigung“ findet. Nun, das kann auch für den Geschmacksinn gelten.
Mein allerliebstes kulinarisches Grün ist dieses gesprenkelte, das nach einer Lektion Armmuskelgymnastik im Mörser entsteht: das Grün des echten Pesto alla Genovese. Dem möchte ich mich kulturhistorisch und praktisch nähern. Was wir nördlich der Alpen oft als Pesto akzeptieren, würde in Ligurien nur Kopfschütteln hervorrufen: Fake-Pesto-Katastrophen, in denen sich mehr Zusatz- und Konservierungsstoffe befinden als Grünzeug, billige Cashews statt der sündteurer Pignoli, Parmesan-Imitate, zu Tode raffinierte Ramschöle. Und auch wenn wir ein halbwegs akzeptables Pesto alla Genovese zur Verfügung haben und es dann mit Spaghetti vermischen, dann ist das noch lange nicht das echte Gericht.
Was wir nördlich der Alpen oft als Pesto akzeptieren,
würde in Ligurien nur Kopfschütteln hervorrufen.
Pesto-ähnliche Substanzen kommen schon bei Vergil in der römischen Antike vor; er erwähnt eine cremige Paste aus Schafkäse, Kräutern, Knoblauch und Öl namens Moretum. Ein bereits ziemlich modernes Rezept findet sich in Giovanni Battista Rattos Werk „Die Genoveser Köchin“ aus dem Jahr 1863: Es enthält Basilikum und Pinienkerne und wird beim Vermischen mit der Pasta mit etwas Kochwasser verdünnt.
Marmor und Olivenholz
Was braucht man also für ein echtes Pesto? Zunächst das richtige Basilikum, nämlich Basilico Genovese DOP; man kann die Sorte bequem im Garten, auf dem Balkon oder sogar am Fensterbrett kultivieren. Dann braucht man orthodoxerweise einen Mörser aus Marmor und einen Stößel aus Olivenholz, aber da drücken die Italiener ein Auge zu, wenn auch der aus Marmor ist. Verpönt ist nur der Stabmixer; Pesto ist Handwerk. Und dann, man höre und staune, braucht man Fisolen und Kartoffeln.
In Genua findet übrigens alle zwei Jahre die Weltmeisterschaft in der Disziplin Mörser-Pesto statt. Und da sind auch Nicht-Ligurier immer wieder vorne mit dabei, vor ein paar Jahren zum Beispiel Emiliano Pescarolo, ein 41jähriger Berufstaucher. Der Mann kam aus Mailand, mörserte und siegte.
Pesto Post Scriptum: Pesto macht man am besten nur in einer sogleich aufzubrauchenden Menge, denn der Knoblauch lässt die Paste rasch oxidieren. Die authentische Pasta sind Trofie oder Trenette; die hier leichter erhältlichen Linguine sind aber auch erlaubt.
REZEPT

Pasta Genovese
ZUTATEN FÜR 4 PERSONEN
- 1 gute Handvoll Basilikumblätter
- 2 zerdrückte junge Knoblauchzehen
- 1 kräftige Prise grobes Meersalz
- 80 g Pinienkerne
- ca. 125 ml gutes Olivenöl (vorzugsweise ligurisch)
- je 80 g Parmesan und Pecorino sardo
- 2 mittlere mehlige Kartoffeln
- 400 g Trenette oder Linguine
- 200 g Fisolen
- 3 bis 4 kleine Flocken kalte Butter
- zusätzlich geriebener Pecorino zum Bestreuen
ZUBEREITUNG
- Zunächst gebe ich die Knoblauchzehen und eine gute Prise grobes Meersalz in den Mörser und beginne zu stoßen. Nach und nach kommen dann das grob gezupfte Basilikum, die Pinienkerne und insgesamt etwa ein Achtelliter Olivenöl dazu. Und gegen Ende Parmesan und Pecorino sardo.
- Dann fülle ich einen großen breiten Topf etwa 7 cm hoch mit leicht gesalzenem Wasser, koche es auf und gebe die in kleine Würfel geschnittenen Kartoffeln dazu.
- Nach 3 bis 4 Minuten lege ich die Nudeln und die in kurze Stücke geschnittenen Fisolen hinein. Nach etwa 9 -12 Minuten (je nach Pastasorte) sind die Nudeln al dente.
- Ich schöpfe 200 ml vom Kochwasser (die Kartoffeln machen es herrlich sämig) ab, gieße Pasta und Gemüse in ein Sieb und gebe alles mit ein paar kleinen Flocken Butter zurück in den Topf.
- Dann rühre ich das ganze Pesto unter und nach und nach auch kleine Zugaben vom Kochwasser; die Sache soll hübsch cremig werden. Der angerichtete Teller wird dann noch mit geriebenem Pecorino bestreut.